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Der Gewerbeverein Borna e.V. ist heute der älteste noch bestehende Verein der Stadt Borna. Grund genug dies zu Feiern. Doch wo liegen die Anfänge des Vereins, der nicht nur der älteste, sondern auch einer der Mitgliedsstärksten und zu den einflussreichsten Vereinen unser Stadt gehört?

Die Ursprünge des Gewerbevereins Borna liegen in den 1840-er Jahren. Erste Vereine, wie der Männergesangverein (1835), der Turnverein (1844) oder der Frauenverein (1846), entstanden in Borna. Schon in diesen Vereinen sind Vertreten des städtischen Gewerbes vertreten. So wundert es auch nicht das bald ein Gewerbeverein gegründet wurde.

Der Chronist Robert Wolfram schreibt dazu: „1848 regte die sächs. Regierung die Herstellung von Gewerbevereinen an. In Borna trat ein solcher zwar ins leben, er zeigte aber wenig Regsamkeit und schlief bald wieder ein.“ Leider ist dies die einzige Quelle über einen früheren Gewerbeverein in Borna. Seine Auflösung ist mit Sicherheit mit den revolutionären Wirren der Jahre 1848/49 in Verbindung zu bringen.

Im Jahre 1860 sah es besser aus. Die revolutionären Wogen hatten sich geglättet und die Wirtschaft hatte sich stabilisiert, es gab ein vereinheitlichtes Maß-, Gewichts- und Münzsystem. Auch das neue Sparkassensystem zeigte seine Wirkung. Schon seit geraumer Zeit debattierte  man im Dresdner Landtag über ein neues Gewerbegesetz. Im Vorfeld dieser zukunftsträchtigen Verhältnisse entstanden in ganz Sachsen die ersten Gewerbevereine.

Am 19. November 1860 kam es zu einem ersten Zusammentreffen von mehreren Gewerbetreibenden der Stadt auf Anregung des Schuhmachermeisters Wilhelm Herold. Zu den Gästen gehörte der angesehene Bürgermeister Carl Heinrich, der für die wirtschaftliche Entwicklung Bornas unverzichtbar war.
Aus den 73 anwesenden Gewerbetreibenden bildete man einen vorläufigen Vorstand, der die Gründung des Vereins vorantreiben sollte.

Zu dem vorläufigen Vorstand gehörten: Schneidermeister Wilhelm Herold, Posamentiermeister Louis Jacob, Buchdruckermeister Albert Reiche, Seifensiedemeister Louis Burckhardt, Schmiedemeister Michael Hiller, Böttgermeister Wilhelm Uhlig, Leinewebermeister Wilhelm Krauße, Bäckermeister Louis Rehn, Buchbindermeister Friedrich Schmidt, Hutmachermeister Joseph Weber, Tischlermeister Wilhelm Berger und Schmiedemeister Ehregott Hermsdorf.

Dieser vorläufige Vorstand berief die Interessierten am 11. Dezember 1860 zur Gründungsversammlung zusammen. 200 Gewerbetreibende folgten dem Aufruf und wählten den Buchdruckereibesitzer Albert Reiche zum Vorsitzenden des neugegründeten „Gewerbeverein Borna“.
Weiter zum Direktorium des Vereins gehörte Wilhelm Herold als stellv. Vorsitzender, Louis Burckhardt als Kassierer und Eduard Dietrich als Schriftführer. An diesem Gründungsabend wurde auch ein Statuten-Entwurf ausgearbeitet. Dieser besagt in § 1: „Der Zweck des Gewerbevereins ist im Allgemeinen: Hebung des Gewerbestandes ... durch Vorbereitung allgemeiner Kenntnisse zum Verständnis der Zeitereignisse.“
Diese Erkenntnis war außerordentlich Wichtig. Man stand Mitten in einem naturwissenschaftlich-technischen Wandel. Wer da mithalten wollte, musste sich weiterbilden. Die Erkenntnisse und Forschungsergebnisse für sich Nutzen. Um das zu Vereinfachen und zu Bündeln war ein Hauptziel des Gewerbevereins.

Albert Reiche, Vorsitzender von 1860-1867

Albert Reiche, Vorsitzender von 1860-1867

Schon bald mischte sich der Gewerbeverein aktiv in die belange der Stadt und die Wirtschaft ein. Denn schon der Schuldirektor und Vereinsmitglied Karl Großmann stellte fest: Der Verein sollte kein Vergnügungsverein, kein politischer Verein, keine Handwerkschule sein, sondern ein Verein, der Anregung zur Fortbildung gibt.
So fanden monatlich Vorträge statt, die auch sehr gut besucht waren. Hier wurden die neusten Erkenntnisse aus Wissenschaft, Natur und Kultur vorgestellt.

Ab den 1880-er Jahren wurde auch darauf hingewiesen, das Frauen erwünscht sind! Hier erfuhr man was über das Leuchtgas, das auch zur Gründung der Bornaer Gasanstalt führte. Weiter gab es Vorträge zum Sauerstoff, über die neuen Handelsgesetze, aber auch über das deutsche Liedgut.

Schon auf ihrer zweiten Versammlung am 18. Dezember 1860 regte man die Gründung eines Vorschussvereins an. Damit es im Bedarfsfall, „es dem Einzelnen möglich sei ... Geldmittel zu erlangen.“ Dieser Verein galt als eigenständiger Verein und als Hilfe zur Selbsthilfe des Wirtschafts- und Handelslebens in der Stadt Borna.

Mit der Gründung des Gewerbevereins wurde 1861 die von Hermann Gatzsche geführte Sonntagsschule übernommen. Denn die Gewerbetreibenden merkten schon bald, dass das Handwerk und die Wirtschaft nur erblühen kann, wenn es einen guten ausgebildeten Nachwuchs gibt. Die Lehrlinge sollten sich Sonntags, vor allem in der Theorie (Mathematik, Geometrie, Schreiben, Lesen, Gesetzgebungen und später für Mädchen Stenographie u.s.w.) weiterbilden, eine Einrichtung die es in Borna schon seit 1845 gab.

Lehrstundenplan der Sonntagsschule für 1861/62

Lehrstundenplan der Sonntagsschule für 1861/62

 

Diese Sonntagsschule, später Fortbildungs- oder Gewerbeschule ist der Ursprung der heutigen Berufsschule.

Auf einer Ausschusssitzung des Vereines im November 1866 hatte man die Idee eine gemeinschaftliche Ausstellung zur Weihnachtszeit durchzuführen. Dazu wählte man eine Ausschusskommission in der Restauration Eichler (heute: Stiehls).

Am 17. Dezember wurde der „Weihnachts-Bazar“ im Gasthof „Goldener Stern“ eröffnet und war eine Woche geöffnet. Händler der Stadt präsentierten hier ihre Sonderangebote aus 30 verschiedenen Gewerben. Die Weihnachtsausstellung war ein voller Erfolg und wurde die nächsten Jahre wiederholt. Man kann getrost sagen, dieser „Weihnachts-Bazar“ ist die Urzelle des heutigen Bornaer Weihnachtsmarktes.
Ehe der Weihnachtsmarkt solch einen Umfang einnahm, wie heute, vergingen noch mal fast 100 Jahre. Aber auch hier waren es wiederum Gewerbetreibende der Handelsorganisation (HO) und des KONSUMs die das Vorhaben voranbrachten.

Anzeige vom Weihnachts-Bazar im Bornaer Tageblatt 1866

Anzeige vom Weihnachts-Bazar im Bornaer Tageblatt 1866

Das der Gewerbeverein Borna ein hohes Ansehen in der Stadt und in der Region erworben hatte, bewiesen die Feierlichkeiten zum 25. Stiftungsfeste. Zu den Gratulanten gehörten der Amthauptmann Dr. Forker-Schubauer, der Röthaer Bürgermeister Günsel, der Lausigker Bürgermeister Carius und Seminaroberlehrer Ebner (Vorsitzender des Vereins von 1886-1895). Leider konnte einer der wichtigsten Initiatoren und Gründungsmitglied des Vereins, der Bürgermeister Carl Heinrich, am Stiftungsfest nicht teilnehmen. Die Politik ging vor. Er schickte eine Grußtelegramm von der Dresdner Landtagssitzung.

Einer der größten Erfolge des Gewerbevereins war die Durchführung der „Bezirks-Ausstellung für Landwirtschaft, Industrie und Gewerbe“ im Jahre 1896. Man lag damit voll im Trend der Zeit. Die Wirtschaft boomte. „Made in Germany“ war in aller Munde, ob im Großen auf den Weltausstellungen oder im Kleinen auf den vielen regionalen Industrie- und Landwirtschafts-Ausstellungen in ganz Deutschland.

Schon im Jahre 1895 hegte man dem Wunsch nach einer eigenen Bezirksausstellung. Erfahrungen aus den Jahren 1853 und 1873 hatte man. Nach umfangreichen Vorbereitungen fand die Bezirksausstellung vom 17. bis 31. Mai 1896 statt.
Über 100 Teilnehmer aus der gesamten Amtshauptmannschaft Borna nahmen teil.
Der Ausstellungsplatz umfasste den Schießberg um das damalige Schützenhaus (heute: Pestalozzi-Kinderheim und Parkplatz Apfelwiese), die Aktienbrauerei, dem Bereich des heutige Volksplatzes und die Reitbahn des Karabinier-Regiments (heute: Löscherpark). Zum Ausschuss für die Ausstellung gehörten als Vorsitzender der Eisengießereibesitzer Robert Huster, als Ehrenvorsitzender der Bornaer Bürgermeister Theodor Löscher und als Ehrenpräsident der Amtshauptmann Dr. Fraustadt.

Goldmedaille der Bezirksausstellung, 1896

Goldmedaille der Bezirksausstellung, 1896

Am Tag der Eröffnung der Bezirks-Ausstellung schrieb das Bornaer Tageblatt: „Heute ist der langerwartete Tag gekommen, wo die Bezirksausstellung in unserm Borna ihre Pforten öffnet. Es ist ein fröhliches Fest für unsere Stadt, ein Fest der Arbeit und des Bürgerfleißes. Hunderte von Händen waren dafür monatelang in Tätigkeit, Hunderte von Kräften haben sich der Ausstellung zur Verfügung gestellt ...
Umrahmt von den ersten Blüten des Frühlings , breitet sich auf dem Ausstellungsplatze ein reich bewegtes Bild geschäftigen Lebens und Treibens vor uns aus, und jeder, der an dem Zustandekommen der Ausstellung mit beteiligt war, darf sich jetzt mit gehobenen Herzen seiner Arbeit freuen.“
Diese Ausstellung war weiß Gott ein voller Erfolg. Schon wenn man die Liste der Beteiligten liest, da war das Who is Who der Bornaer Firmen vertreten: Baugeschäft Eichler, Orgelfabrik Kreutzbach, Gärtnerei Johlige, das Braunkohlenwerk „Wilhelmschacht“, Aktienbrauerei Borna, Brauerei Rother Altstadt Borna, Buchdruckerei Reiche, Posamentiergeschäft Schatz, Dampfwurstfabrikant Pilz, um nur einige zu nennen.

Ansichtskarte von der Bezirks-Ausstellung 1896; Entwurf von Emil Limmer

Ansichtskarte von der Bezirks-Ausstellung 1896; Entwurf von Emil Limmer

Doch schon bald war der Niedergang des Vereins abzusehen. Dies war auch eng mit der politischen und wirtschaftlichen Lage in Deutschland verbunden. Nach dem Weltkrieg 1914-18 war die Wirtschaft am Boden. Auch das Vereinsleben war davon betroffen und es kam zur Spaltung. Doch schon bald sah man ein, dass man nur Gemeinsam stark ist.
Auf Initiative des Bezirksausschusses für Handwerk der Amtshauptmannschaft Borna und mehrer Gewerbevereine, darunter auch die drei Bornaer, kam es am 6. Dezember 1922 zur Gründung des Gewerbeverbandes der Amthauptmannschaft Borna e.V.
Die drei Bornaer Gewerbevereine bildeten nun wieder zusammen eine Ortsgruppe im Gewerbeverband.

Jedoch mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 war der Untergang des Gewerbeverbandes besiegelt. Am 4. Januar ist im Anzeigenteil des Bornaer Tageblattes eine „Bekanntmachung. Lt. Beschluss der Mitgliederversammlung vom 2.12.34 ist der Verein Gewerbeverband der Amtshauptmannschaft e.V. aufgelöst worden.“ Vermerkt.

Gründungsversammlung am 15. April 1994

Gründungsversammlung am 15. April 1994

Es mussten erst 60 unheilvolle Jahre mit Nationalsozialismus im „Dritten Reich“ und Sozialismus der DDR vergehen bis man wieder daran dachte das kommunale Gewerbe zu stärken und einen Verein zu gründen.
Jedoch nicht mit der politischen Wende im Land kam der Gedanke, erst als man merkte auch in der neuen politischen Gremien im Rathaus wird wieder Politik am Gewerbe vorbei gemacht. So kam es auf Initiative von Walter Wenger am 15. April 1994 im Bürgerhaus „Goldener Stern“ zur Wiedergründung des Gewerbevereins Borna.
Erklärtes Hauptanliegen des Vereins war und ist die Wahrnehmung und Durchsetzung der Interessen des selbständigen Mittelstandes auf örtlicher Ebene. Eines der ersten Erfolge war, wenn auch mit einigen Anlaufschwierigkeiten, der Frischmarkt. Heute gehört er im Stadtbild zur Selbstverständlichkeit.

Der Gewerbeverein Borna mit seinen rührigen Mitglieder ist heute ein Impulsgeber für die Stadt ob im wirtschaftlichen oder kulturellem Sinne. Wer kennt Sie nicht die vielfältigen Aktivitäten: Einsatz für die verlängerten Ladenöffnungszeiten oder den Erhalt des Kreissitzes, Aktionstag des Handwerks 2005, die Kinderweihnachtsfeiern für die Kinder des Pestalozzi-Kinderheimes und für die Schüler der Förderschule, der Glühweinstand auf dem alljährlichen Weihnachtsmarkt, deren Erlös Bornaer Vereinen zu Gute kommt, die Hochzeitsmesse, das Sommerspektakel u.v.m.
Um alles Aufzuzählen könnte man ein Buch schreiben.

Aber auch in die Politik mischte sich aus alter Tradition der Verein ein. So gründete man 1999 die Bürgerbewegung „Bürger für Borna“ (BfB) und zog ins Rathaus ein. Im Jahre 2001 konnte man den größten Erfolg verbuchen. Mit dem Vorstandsmitglied Bernd Schröter stellte man den Oberbürgermeister der Stadt Borna. Wenn auch nicht alles in Erfüllung ging, was man zum Wohl der Stadt vorhatte, kann man im nachhinein sagen, das er die Stadt mit viel Geschick und Geduld führte. Sein größter Verdienst wird dabei bleiben, der Erhalt der Kreisstadt Borna zusammen mit dem Verein Pro Borna, der ebenfalls aus Gewerbetreibenden der Stadt Borna hervorging.

Zwischenzeitlich änderte der Gewerbeverein seinen Namen. In der Tradition an den Gewerbeverband der Amtshaupmannschaft Borna änderte man 1997 den Namen in „Gewerbeverband Borna e.V.“
Beabsichtigt war, mit dem begrifflichen  Wechsel, eine klare Unterscheidung als Interessenverband der mittelständigen Wirtschaft, im Verhältnis zu den vielen sportlichen und kulturellen Vereinen in der Region und in der Stadt zu treffen. In einem Prüfungsverfahren der Verbandsunterlagen durch das Amtsgericht kam es 2003 jedoch zu einem Einspruch, da der Gewerbeverband Borna nicht die Kriterien eines Verbandes erfüllte.
Ein Verband ist ein Zusammenschluss mehrer Vereine oder müsste bundesweit agieren, beides war nicht gegeben und gewollt. So wurde im November 2005 auf einer Mitgliederversammlung des Gewerbeverbandes beschlossen, den alten Namen „Gewerbeverein Borna e.V“ wieder anzunehmen und das ist auch gut so.

Bleibt nur zu Wünschen das der Gewerbeverein sich weitere Jahre und mehr in die Geschicke der Stadt sich mit einmischt und gestaltet.

gewerbeverein_vorstand_2010
Vorstand 2010, v.l.: Maria Flach, Thomas Ritter, Iris Böhme, Jörg Faburg, Martina Voll, Thoralf Lang (Vorsitzender), Bernd Schröter,  Bärbel Kühnler, Martina Sakel, Andreas Woda und Thomas Stein (Foto: M. Geuther)

Vorsitzende (Vorsteher) des Gewerbevereins Borna bis 2010
Buchdruckereibesitzer Albert Reiche 1860  -  1867
Stadtrat Louis Voigt 1867  - 1877
Rentier Karl Treiber 1877  -  1878
Tuchhändler Ernst Franke 1878  - 1879
Realschuloberlehrer Gustav Schunack 1879  - 1881
Baumeister Louis Oehme 1881  - 1886
Seminaroberlehrer Franz Ebner 1886  - 1895
Eisengießereibesitzer Robert Huster 1895  - 1898
Ziegeleibesitzer Stadtrat Hugo Speck 1898  - 1904
Buchdruckereibesitzer Max Reiche 1904  - 1919
Fabrikbesitzer Fritz Weidmüller 1919  - 1922
Rechtsanwalt Dr. Walter Böttger 1922  - 1923 
       
Ortsgruppe des Gewerbeverbandes Borna 1923  - 1933
       
Rundfunkhändler Walter Wenger 1994  - 1998
Rechtsanwalt Torsten Brandt 1998  - 1999
Schreibwarenhändler Klaus Gröll 1999  - 2000
Gastwirt André Ohneberg 2000  - 2002
Rechtsanwalt Oliver Urban 2002    
Journalistin Susanne Keil 2002  - 2003
Grafiker Thomas Stein 2003  - 2008
Versicherungskaufmann Toralf Lang 2008  - dato