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Januar 2010

In den letzten Jahren machte die Bornasche Krankheit in Fachkreisen immer wieder von sich reden. Es wurde vermutet, dass das Borna-Virus auch für Depressionen beim Menschen verantwortlich ist. Doch eine hundertprozentigen Beweis gab es dafür nicht und so gab es immer wieder viele kontroverse Ansichten der Wissenschaftler auf der ganzen Welt zu dem Thema „Viren im Gehirn?“
Doch wer die Fachpresse der letzten Tage verfolgte, wird sicherlich die neuesten Erkenntnisse dazu gelesen haben. So schrieb Welt-Online Anfang des Jahres: „Genomforscher  vom Masayuki Horie von der Universität Osaka in Japan berichten nun im Fachjournal ,Nature’, dass sie bei der genauen Analyse unseres Erbgutes Überreste des Bornavirus gefunden haben. Das erstaunt, denn bisher wurden nur Relikte sogenannter Retroviren, die zur Vermehrung  ihre einsträngige  RNA als Doppelstrang in das Genom der Wirtszelle einbauen müssen, entdeckt.“

Schematische Darstellung des Borna Disease Virus (BDV), (Institut für Virologie der Justus-Liebig-Universität Giessen)
Schematische Darstellung des Borna Disease Virus (BDV), (Institut für Virologie der Justus-Liebig-Universität Giessen)

Ich möchte ihnen im Folgenden die Geschichte zum Bornavirus näher bringen und wie es zu seinem Namen kam.
In Meyers Kleines Lexikon von 1967 steht unter „Borna’scher Krankheit: durch ein Virus hervorgerufene, ansteckende Gehirn-Rückenmark-Entzündung der Pferde und Schafe, mit Bewußtseinsstörungen, Zwangsbewegungen, Lähmungen u.a.; zuerst in Borna beobachtet.“ Der letzte Vermerk ist dabei nicht ganz richtig. Die Symptome dieser Pferdekrankheit wurden schon im 17. Jahrhundert, vor allem in Süddeutschland, beobachtet. Die älteste Aufzeichnung über die Krankheit ist aus der Abhandlung „Gestüt-Ordnung und gründliche Einzäumung, wie auch der Pferde Cur, und Artzney“ von 1660 bekannt. 1767 schrieb Johann Baptist von Sind in seinem Buch „Der im Feld und auf der Reise geschwind heilende Pferdearzt ...“ in einem Kapitel über die Krankheit: „Das Pferd ist anfänglich traurig und versaget das Futter; es läßt den Kopf und die Ohren hängen, hat Hitze und Schleim im Maul, trübe und wässrige Augen; wanket im Gehen hin und her, als ob es schwindlich wäre ... drückt den Kopf gegen die Mauer ... endlich fällt es in convulsive Bewegung, woran es meistens das Leben lässet.“
Anfang des 19. Jahrhunderts trat die Pferdekrankheit vor allem in Schwaben auf, aber auch in Sachsen (z.B. Zwickau und Plauen) konnte sie festgestellt werden. Zwischen 1891 und 1896 kam es zu einem endemischen Auftreten der Krankheit in unserer Region. Am meisten betroffen waren die Pferde des hiesigen Karabinier-Regimentes. Laut der „Königlichen Kommission für das Veterinärwesen zu Dresden“ erkrankten 122 Pferde im Jahre 1895 im Bornaer Umland. 1896 beschrieb der Oberrossarzt Gensert die Pferdekrankheit in der Berliner Tierärztlichen Wochenzeitschrift als „Bornasche Krankheit“. Seit dem hat sich diese Bezeichnung durchgesetzt.
Letztendlich waren die Verluste so groß, dass die Bornasche Krankheit ein Thema im Sächsischen Landtag wurde. Die Pferdebesitzer verlangen von der Landesregierung eine Entschädigung.
Doch die Verhandlungen zogen sich hin. Da der Erreger der Krankheit nicht zweifelsfrei festgestellt werden konnte, wollte sich die Regierung mit der Zahlung von Entschädigungen sich weitestgehend zurückhalten.
1909 konnte Ernst Joest und Kurt Degen feststellen, dass es sich bei der Bornaschen Krankheit um eine Viruserkrankung handeln müsse, doch die Beweise blieben aus.
Anfang der 20er Jahre des vorigen Jahrhunderts entwickelt sich die Universität Giessen zu einem Zentrum der Borna-Forschung. Hier konnte der Tierarzt Wilhelm Zwick 1924 erstmals den Borna-Virus nachweisen. Vor seinem Institut stand damals ein Baum, der bald als „Borna-Linde“ bekannt wurde. Man nutzte die Linde als diagnostisches Objekt. Infizierte Tiere wurden immer um die diesen Baum herumgeführt, um Störungen in der Bewegungsweise möglichst frühzeitig festzustellen. Die Linde gibt es nicht mehr, an ihrer Stelle steht heute ein Ahorn.

Ehemaliger Standort der „Borna-Linde“ in Giessen, (Institut für Virologie der Justus-Liebig-Universität Giessen)
Ehemaliger Standort der „Borna-Linde“ in Giessen, (Institut für Virologie der Justus-Liebig-Universität Giessen)

Erst 1990 gelang es erstmalig Ian Lipkin aus den USA die Isolation der cDNA-Klone, ein RNA-Virus als ursächlicher Erreger der Bornascher Krankheit zu identifizieren. Das Borna Disease Virus (BDV) ist demnach der bislang einzige Vertreter der Famile der Bornaviridae und gehört zur Ordnung der Mononegavirales. Das behüllte, sphärische Virus mit einem Durchmesser von ungefähr 100 nm besitzt als Genom eine nichtsegmentierte Einzelstrang-RNA mit negativer Polarität und einer Länge von ca. 8,9 kb.