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Anfang der 1890er Jahre erwarb der Besitzer des Gasthofes „Deutsches Haus“ in der Wettinstraße, Herr Friedrich August Buschmann, das Gelände neben seinem alten Gasthaus. Auf dem Gelände wollte er ein neues und größeres Gasthaus errichten. 1892 begannen die Bauarbeiten und waren Ende 1893 abgeschlossen. Am 27. Dezember 1893 beantragte er die Schankkonzession für das neue Gasthaus: „Hiermit theile ich dem Stadtrat mit, daß mein neues Bauhaus-Grundstück fertiggestellt ist und bitte um Erlaubnis eines Gast- und Schankgewerbes vom 1. Januar 1894 in dem selben ausüben zu dürfen.“ (Stadtarchiv Borna, III/XIIId Nr. 44) Die Stadt bewilligte diesen Antrag und so mit wurde am 1. Januar 1894 das Gasthaus „Wettiner Hof“ eröffnet. Mit dem gleichen Tag wurde das nebenstehende alte Gasthof „Deutsches Haus“ geschlossen und blieb bis heute ein Wohnhaus. Schnell wurde der „Wettiner Hof“ zu einer angesehenen Gastlichkeit. Einen Vorteil hatte das Etablissement, es war in unmittelbarer Nähe des Bahnhofs und somit der erste Anlaufpunkt für Besucher der Stadt.
Dennoch, um wirtschaftlich zu überleben verpachtete Buschmann einige Räume. So eröffnete am 8. Dezember 1895 der Fotograf Oscar Weber ein Atelier im „Wettiner Hof“.

Fotopostkarte des Wettiner Hofs“ mit Eisenbahnlinie im Vordergrund, 1902
Fotopostkarte des Wettiner Hofs“ mit Eisenbahnlinie im Vordergrund, 1902

Nach gut über einem Jahr gibt Friedrich Buschmann auf und verkaufte den Gasthof an Carl Benjamin Schindler. Wenn auch mit Wegfall des Bahnhofes im Jahre 1904 der Absatz gefährdet war, blieb der „Wettiner Hof“ einer der ersten Adressen in der Stadt Borna. Der „Wettiner Hof“ war eine beliebte Gastlichkeit. Auch für Vereine hatte man ein eigenen Raum. So ist auch bekannt das mehrmals hier in den Räumen sich die Freimaurer trafen. Unter ihnen auch der in Borna geborene Clemens Thieme, der der Leipziger Loge „Apollo“ angehörte. Ein weiterer Freimaurer der sich bestimmt viel hier aufhielt und ganz in der Nähe wohnte, war der spätere Schulrat und LDPD-Politiker Paul von Loui.

Ansichtskarte des „Wettiner Hofs“, 1909
Ansichtskarte des „Wettiner Hofs“, 1909

Nach dem Tod von Carl B. Schindler im Jahre 1913 verpachtete seine Witwe das Gasthaus an den langjährigen Oberkellner Max Paul Curt Foth. Er erhielt die Schankkonzession mit folgender Auflage: „Sie sind dafür Verantwortlich, daß das Schankgewerbe weder zur Förderung der Völlerei, des Verbotenen Spiels, der Hehlerei, noch der Unsittlichkeit mißbraucht werde und die Anwohner nicht durch Schreien, Toben, Musik machen und ähnliche Handlungen seitens der Gäste in den späten Abendstunden, insbesondere aber nach Mitternacht, belästigt werden.“ Mit der Übernahme von Foth wurden im ersten Obergeschoss Fremdenzimmer eingerichtet. Von Anfang an diente der „Wettiner Hof“ als Ausspanne. Daher auch die große Toreinfahrt und Pferdeställe im Hof. Jetzt war auch eine Übernachtung gewährleistet. Doch mit Beginn des Weltkrieges 1914 wurde Max Foth zum Kriegsdienst eingezogen und seine Frau Maria musste das Hotel über die schwere Zeit bringen.
Im Dezember 1918 kaufte Max Bretschneider aus Lützen  das Gasthaus der Witwe Schindler ab. Diese lebte weiterhin in einem Seitengebäude des „Wettiner Hofs“. Doch richtig glücklich wurde Bretschneider mit dem Gasthof nicht. Im Jahre 1920 kaufte der Bergbauliche Verein Borna den „Wettiner Hof“ und machte ihn zu seinem Vereinsdomizil. Das hieß aber nicht das andere Vereine hier keinen Zutritt hatten. Schon von je her war der Wettiner Hof ein beliebter Treffpunkt vieler Vereine. So trafen sich hier im Jahre 1909 der sächsische Landesverband Esperanto und die Deutsche Demokratische Partei (DDP) war seit 1919 Stammkunde. Oder 1916 wurde hier die Ortsgruppe des „Frauendank“ bzw. 1917 der „Landwirtschaftliche Hausfrauenverein Borna“ gegründet.
Ab 1. April war Franz Otto Kraft der neue Pächter. Dieser erreichte, das es 1924 zu neuen Umbauarbeiten kam. Das Vereinszimmer wurde in das erste Obergeschoss verlegt. Des weiteren erhielt das Obergeschoss einen Archivraum für den Bergbaulichen Verein und sechs neue Fremdenzimmer wurden eingerichtet.  Auch im Seitengebäude wo noch die Witwe Schindler lebte wurden 3 Fremdenzimmer eingerichtet. Das Geschäft florierte, längst hatte man den Gastlichkeiten am Markt („Goldener Stern“ und „Blauer Hecht“) den Rang abgelaufen. Auf ein gepflegtes Rother-Bier mit einen Schweinsbraten ging man in den „Wettiner Hof“.

Ansichtskarte von 1926
Ansichtskarte von 1926

Im Jahre 1929 wollte Moritz und Hedwig Schulze aus Wechselburg den Gasthof übernehmen, doch das polizeiliche Zeugnis fiel nicht gerade gut aus: „Die Gastwirtseheleute Schulze haben zwar hier keine polizeilichen und gerichtliche Strafen erlitten, geniessen aber nicht den besten Ruf ... die Eheleute (sind) unmöglich geworden; es wird angenommen, das sich Schulze Geld beiseite geschafft hat, anstatt die Lieferungen zu zahlen ...“ (Stadtarchiv Borna, III/XIIId Nr. 90 fol. 57) Trotzdem erhielt das Ehepaar den „Wettiner Hof“. Dabei musste festgestellt werden das der Vorbesitzer, seit 1925 Paul Kirsten, einfach nach dem Tod der Witwe Schindler vier weiter Fremdenzimmer ohne Genehmigung in das Seitengebäude eingebaut hatte.
Der Stern des Gasthauses sang jetzt immer mehr. Jedes Jahr gab es einen neuen Pächter. Ruhestörungen und Schlägereien kamen des Öfteren vor. So kam es am 6. Oktober 1931 während einer Veranstaltung des Jungdeutschen Ordens zu einer Schlägerei mit Mitgliedern der NSDAP. Der „Wettiner Hof“ war nur noch eine Gasthof unter vielen in Borna. 1938 war entgültig Schluss. Der letzte Pächter konnte oder wollte den Umsatzzins nicht mehr zahlen und so wurde das Gasthaus geschlossen. Noch im gleichen Jahr erwarb die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP) das Gebäude und errichtete darin ihre Kreisleitung. Damit hatte der Schreckensapparat eine ansehnliche Machtzentrale erworben. Das nutzten nach dem II. Weltkrieg auch die Amerikaner aus und richteten hier ihre Kommandantur ein. Der damalige Malermeister Rudolf Gutsche (1875 – 1955) erinnerte sich: „Es hat sich in der nunmehr  bestehenden Militärregierung ein äußert lebhafter Verkehr entwickelt, er erreicht seinen Höhepunkt gewöhnlich in der Zeit von 10 bis 12 Uhr.“ Es war ein reges Treiben in der Kommandantur.  Im Seitengebäude wurden auch Arrestzellen eingereichtet.
Am 1. Juli 1945 übernahmen dann die Russen das Gebäude und errichteten genauso wie die Amerikaner hier ihre Kommandantur. Hier war jetzt entgültig die Schaltzentrale der Militärregierung. Dachte man, doch mit der Gründung der DDR zogen die Russen aus und übergaben das Gebäude an den neuen Staat. Jetzt zog hier die Volkspolizei-Kreisamt (VPKA) hier ein.

Volkspolizei-Kreisamt, um 1950; Sammlung: Thomas Mertins
Volkspolizei-Kreisamt, um 1950; Sammlung: Thomas Mertins

Bauliche Veränderungen waren damit verbunden. An der Straßenfront wurde ein Türdurchbruch gemacht und ein Treppenaufgang geschaffen, über dem ein Stalinbild prangte. Viele Mauern wurden im Inneren eingezogen, um kleinere Räume zu schaffen. Die Fenster im Untergeschoss wurden vergittert und die Kellerfenster erhielten Panzertüren. Es entstand eine kleine Festung. Vor wem hatte man nur Angst? Das Volk kann es ja wohl nicht gewesen sein. Bis 1990 blieb die VPKA bestehen. Dann wurde sie aufgelöst und der alte „Wettiner Hof“ verfiel.