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In diesen Tagen gedenken wir der schrecklichen Ereignisse der Pogromnacht vor 70 Jahren. In ganz Deutschland brannten am 9. November 1938 die Synagogen und Geschäftseinrichtungen jüdischer Bürger wurden zerstört und gingen in Flammen auf. Auch die jüdische Bevölkerung von Borna blieb davon nicht verschont.
Seit Anfang des 20. Jahrhunderts siedelten jüdische Bürger vorwiegend aus Galizien nach Borna und eröffneten hier ihre Geschäfte. Dazu gehörten die Gebrüder Abraham und Calel Rose, die mit ihrer Familie das Kaufhaus „Britania“ in der Roßmarktschen Straße übernahmen. Weiter dazu gehörten die Familie Motulsky mit ihrem Bekleidungsgeschäft in der Kirchstraße 2 und die Familie Singer die ein kleines Wäschegeschäft im Eckgebäude An der Mauer/Roßmarktsche Straße hatten. Alle Familien hatten die sächsische Staatsbürgerschaft und waren voll in das städtische Leben von Borna integriert. Sie waren bei den Bornaer Bürgern sehr beliebt und angesehene Händler. Die Bornaer Juden gehörten der israelitischen Gemeinde von Leipzig an, so das dort auch die religiösen Handlungen vorgenommen und sie dort auch beerdigt wurden.
Mit der Pogromnacht am 9. November 1938 änderte sich schlagartig die Situation für die Juden. Wenn in großen Teilen Deutschlands der Judenhass schon seit 1933 an der Tagesordnung war, kann man das von Borna nicht behaupten. Sie konnten ungehindert ihrer kaufmännischen Tätigkeit nachgehen und man feierte noch ungestört im Juni 1938 zusammen das Bornaer Heimatfest. Damit war mit den Novemberereignissen 1938 Schluss.
Am 9. November 1938 kam es zu einer Kundgebung auf dem Markt wegen des „feigen jüdischen Mordes“ an den deutschen Diplomaten Ernst vom Rath in Paris. Sonst blieb es jedoch ruhig. Erst als die Nachrichten aus dem ganzen Reich am 10. November in Borna eintrafen und mit großer Sicherheit auch auswärtige Randalierer nach Borna kamen, gab es Ausschreitungen vor den jüdischen Geschäften. Das Borna Tageblatt vom 11. November 1938 berichtete dazu: „Spontane Kundgebungen gegen die Juden in Borna. In den späten Nachmittagsstunden kam es ... zu spontan judenfeindlichen Kundgebungen vor den Geschäften Paul Motulsky, Abraham Rose und Siegmund Singer. Bei Motulsky wurden sämtliche Schaufensterscheiben eingeschlagen. Im Geschäftshaus Rose brannten Schaufenster und Lagerräume aus. Der Brand wurde von unserer Feuerlöschpolizei in kurzer Zeit niederbekämpft. Der Kreisleiter ordnete sofort an, mit allen zu Gebote stehenden Mitteln ein weiteres umsichgreifen der Aktionen zu verhindern. Unsere SA versah Ordnungsdienst in vorbildlicher Weise. Bald nach 8 Uhr herrschte in Borna wieder Ruhe und Ordnung.“ Welcher Zynismus, dass die SA Ordnungsdienst in vorbildlicher Weise hielt. Es gibt Zeugenberichte, wo noch SA-Leute in den Geschäften wüteten, die Einrichtungen zerstörten und mit großer Sicherheit auch das Feuer legten.
An der Bekämpfung des Feuers und der anschließenden Feuerwache bis in die Morgenstunden des 11. November waren 78 Feuerwehrleute beteiligt. Der Wehrleiter übergab eine Rechnung für die Unkosten für Erfrischung  und Stärkung der Wachmannschaften an die Stadt mit der Begründung: „Üblich ist, daß der Brandgeschädigte für die Unkosten aufkommt, da es sich hier um einen Juden handelt, wir, die Wehr mit den nichts zu tun haben wollen, bitten wir von Stadtseite dieses zu begleichen.“ Schon diese Begründung zeigt, wie sich in kürzester Zeit die Situation für die Juden auch in Borna geändert hatte. Die Stadt übernahm die Unkosten. Jedoch merkte der Bürgermeister Dr. Thierbach an: „Im übrigen wünscht der Herr Erste Bürgermeister, das die Feuerwehr künftig, nicht wieder an die Brandgeschädigten herantritt und sich Zehrkosten vergüten läst.“ (Akte FFW II/XIa Nr. 35)
Noch in der Nacht vom 10. zum 11. November 1938 wurden Bürger jüdischen Glaubens festgenommen und im Reichstor inhaftiert. Darunter auch  Siegfried (heute: Frederic) Rose aus Leipzig, der seinen Onkel hier in Borna besuchte. Ab diesen Tag gab es kein jüdisches Leben mehr in Borna. Wenn sie nicht gleich Deportiert wurden sind, zogen sie nach Leipzig, wo sie das gleiche Schicksal erwartete. Der Großteil der Familien Rose und Motulsky überlebten den Holocaust nicht. Über das Schicksal der Familie Singer ist nichts bekannt.

Anzeige des Kaufhauses „Britania“, 1929Bekleidungsgeschäft von Paul Motulsky, um 1925
Anzeige des Kaufhauses „Britania“, 1929     Bekleidungsgeschäft von Paul Motulsky, um 1925