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Im Jahr 2019 begeht die Römisch-Katholische Pfarrgemeinde St. Joseph zu Borna die hundertjährige Weihe ihrer Kirche in der Stauffenbergstraße. Dies bedeutet nicht, wie einige annehmen, dass es erst seit einhundert Jahren eine katholische Kirchgemeinde in Borna gibt. Die Anfänge liegen viel weiter zurück, in den Anfängen unserer Stadtgeschichte. Ein bedeutendes Wahrzeichen dafür ist die Kunigundenkirche und ihre wechselvolle Geschichte. Mit Martin Luther geben sich die Bornaer Bürger in der Stadt und in Umland der neuen Lehre hin und wenden sich vom Papst und seinen Glaubensbrüdern los. Borna kann schon 1519 einen evangelischen Pfarrer nachweisen und war damit die erste Gemeinde außerhalb von Wittenberg in der die neue Lehre von der Kanzel verbreitet wurde.
Doch wie kam es, dass in Borna wieder eine römisch-katholische Kirchgemeinde entstehen konnte. Diese Entwicklung war stark mit dem ansässigen Karabinier-Regiment verbunden. In diesem Regiment dienten viele Söhne des sächsischen Adels, die eng mit dem sächsischen Königshauses verbunden waren und dieser war bekanntlich katholisch. Wie konnte das sein, im evangelisch-lutherischen Kernland Sachsen, ein katholischer Landesherr? Wer kennt ihn nicht, Kurfürst Friedrich August I. von Sachsen, genannt August der Starke. Dieser wollte unbedingt König von Polen werden. Jedoch nur Geld dazu reichte nicht aus. Er musste um die Krone zu erlangen zum Katholizismus übertreten. Somit blieben auch seine Nachfahren der römisch-katholischen Kirche verbunden. Aber nicht nur die Königsfamilie, auch zum Teil der sächsischer Adel der damit seine Loyalität zum König beweisen wollte tritt dem Katholizismus bei. So ist es eben nicht verwunderlich, das aus den Reihen des Karabinier-Regiments einige Militärangehörige mit katholischen Glaubensbekenntnis waren und damit der Wunsch erwächst eigene Gottesdienste in Borna abzuhalten. So wurde am 6. Juli 1890 das erste Mal nach der Reformation wieder ein römisch-katholischer Gottesdienst in Borna abgehalten. Dieser fand im damaligen Städtischen Realgymnasium am Königsplatz statt und wurde vom Militärpfarrer Maaz abgehalten. Jährlich fanden jetzt zwei bis vier Gottesdienste im Gymnasium statt. Mit der Errichtung des katholischen Militärpfarramtes Leipzig beim XIX. A. K. im April 1899 wurde ein achtmaliger Gottesdienst im Jahr unter dem Militärpfarrer Kaiser eingeführt.

Königsstraße mit Städtischem Realgymnasium, 1906
Königsstraße mit Städtischem Realgymnasium, 1906

Um 1902 fand ebenfalls im Realgymnasium ein erster ziviler katholischer Gottesdienst durch Kaplan W. Kleffe statt. Besonders große Verdienste erwarben sich dabei die Familie des Proviantamtsinspektors Hamann und die Familie des Maschinenmeisters Friedrich Schmidt, die vor allem polnische Katholiken die im Bergbau beschäftigt waren um sich sammelten.
Mit der Errichtung des neuen Realgymnasiums, wurden die Gottesdienste von 1908 bis 1912 in der dortigen Schulaula abgehalten sowie von 1912 bis 1914 in der „Börsenhalle“ am Dinterplatz.
Nach dem verlorenen Weltkrieg 1914-1918 kommt es zur Auflösung des Karabinier-Regiments. Trotzdem besteht der Wunsch zum Wiederaufbau einer katholischen Gemeinde in Borna. Wenn auch die Militärangehörigen wegfallen, so war durch den Zuzug von Bergmännern aus Bayern, Schlesien und Russisch-Polen (heute: Weißrußland) die Bevölkerung mit katholischen Glauben gestiegen.
Am 1. August 1918 kommt es zur Gründung eines katholischen Seelsorgeamtes im Gasthaus „Schweizerhaus“ (heute: Gelände „Schwarzer Netto“). Das Bornaer Tageblatt schrieb dazu am 22. August 1918 folgende Meldung: „Ein kath. Seelsorgeamt in Borna. Die Katholiken in unserer Stadt Borna und deren Umgebung gehören zum kath. Pfarramte St. Trinitatis in Leipzig. Seit dem 1. August ds. Js. ist für die seelsorgerische Versorgung der Katholiken in Borna und Umgebung ein eigenes Seelsorgeamt begründet und dieses im Einverständnis des Kultusministeriums mit dem katholisch-geistlichen Konsistorium in Dresden Herrn Pfr. Max Lange, bisher Chemnitz, übertragen worden, der in Borna seinen ständigen Wohnsitz nehmen wird. Derselbe wird am nächsten Sonntag, 25. August, hier seine ersten und von da ab an jedem Sonn- und Feiertage hier Gottesdienst halten, künftig auch den Religionsunterricht für alle katholisch zu erziehenden Kinder des Seelsorgsbezirkes erteilen. Ein langgehegter Wunsch der Katholiken geht damit in Erfüllung.“

Um die Gottesdienste abhalten zu können wurde im „Schweizerhaus“ eine Hauskapelle eingerichtet. Diese zog im Januar 1919 in die Wohnung des Pfarrers Max Lange in die Wiesenstraße 10 (heute: Theodor-Neubauer-Straße) um. In der Zwischenzeit versuchte man eine neue Kirche zu errichten oder ein geeignetes Gebäude zu erwerben. Baupläne für einen Kirchenbau auf dem Gelände des alten Bahnhofes (heute: Gelände Lidl-Kaufhalle) lagen vor. Jedoch waren wohl die Baukosten zu hoch. Schon seit Januar 1919 stand man mit der Abwicklungsstelle für das Karabinier-Regiment in Verhandlung das ehemalige Offizierscasino käuflich zu erwerben. Am 26. Juli 1919 erfolgte der Erwerb des Gebäudes mit Garten für einen Kaufpreis von 121.000 Mark, von denen sofort 61.000 Mark gezahlt wurden. Die nochmaligen Einbauten betrugen 20.000 Mark. Am 5. Oktober 1919 wurde die neue Kapelle St. Joseph durch den Bischof Dr. Franz Löbmann geweiht.

Ansichtskarte mit Innenansicht der Kapelle St. Joseph, um 1925
Ansichtskarte mit Innenansicht der Kapelle St. Joseph, um 1925

Mit der steigenden Anzahl an Kirchenmitgliedern war absehbar, dass das Kirchengebäude in der damaligen Kasernenstraße bald zu klein wird. Zu Mal man das Gebäude nicht alleine Nutzte. Bis 1924 befand sich hier noch in den oberen Stockwerken die Kreiseinkaufsstelle und auch städtische Wohnungen waren im Dachgeschoss. Aus diesem Grund fanden vor allem die Weihnachtsveranstaltungen im Gasthof Kunze in Gnandorf statt. Dabei ist zu beachten das auch Gottesdienste für die vielen Bergarbeiter aus den polnischen Gebieten in polnisch gehalten wurden.

Ansichtskarte der Katholischen Kirche, um 1925
Ansichtskarte der Katholischen Kirche, um 1925

Im Juli 1923 wurde aus dem Seelsorgeamt Borna das römisch-Katholische Pfarramt St. Joseph zu Borna. Der Platzmangel wurde in der Folgezeit immer akuter. So wurde 1933 ein Erweiterungsbau geplant. Doch man erkennt dass ein Neubau sinnvoller ist. Es entstehen Pläne für einen Bau im Pfarrgarten von dem Bornaer Baumeister Naumann. Doch es scheitert an den Finanzen und auch schon bald klopft das Militär an die Tür. 1935 wurde in den alten Kasernen die Panzerabwehr-Abteilung (PA) 24 stationiert und diese wollte ihr Offizierscasino zurück. Nach langen zähen Verhandlungen konnte man sich einigen. Das katholische Pfarramt konnte das Gebäude behalten und die P 24 bekam die Villa Heyer in der Luckaer Straße (später MfS-Kreisdienststelle und Arbeitsamt).
Mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges stieg noch mal die Anzahl der Kirchmitglieder, wegen der vielen Flüchtlinge aus den Ostgebieten, aber auch wegen den polnischen und italienischen Zwangsarbeitern in der Stadt. In der Gemeindechronik lesen wir zu den Ereignissen im Jahre 1945 folgendes: „Am Sonntag, d. 15. April, abends 6 Uhr rücken die Amerikaner von der Altenburger Straße aus in die Stadt ein. Die Panzer rollen die Kasernenstraße entlang. Am Pfarrhaus hatten wir die Kirchfahne und die weiße Flagge gehisst. Der Einzug verlief in Ruhe. Wir hatten zwei Tage Einquartierung: 20 Amerikaner schliefen im Luftschutzkeller. Es waren mehrere Katholiken darunter, die am nächsten Tag der hl. Messe bewohnten und die hl. Kommunion empfingen. – Der eigentlichen Kampftruppe folgten bald die Kommandantur der Militärregierung. Das kirchliche Leben konnte ungehindert weitergehen. Die Gottesdienste wurden weiter gehalten. Es fanden auch mehrere amerikanische Militärgottesdienste statt, bei denen sowohl der amerikanische Militärkaplan wie auch einer Ortsgeistlichen abwechselnd die hl. Messe feierte. … In der Kaserne befanden sich in diesen Wochen mehrere Tausende Ausländer, die im Kreis Borna auf den Gütern als landwirtschaftliche Arbeiter beschäftigt gewesen waren: Polen, Russen, später auch ehemalige italienische Kriegsgefangene. Für die Polen und Italiener fanden auf dem Kasernenhofe mehrere Gottesdienste statt, an denen jedes Mal Hunderte teilnahmen. Am interessantesten und auffälligsten waren die vielen Trauungen der Polen – in 3 Wochen 90 Paare -! All diese jungen Leute hatten bisher nicht heiraten können, da deutsche Regierung es verbot. Fast jeden Tag bewegte sich ein Hochzeitszug mit 5 – 7 Paaren vom Kasernenhof in die Kirche zur Trauung. Der Pfarrer hatte 3 Wochen hindurch nur mit Trauungen zu tun.“

Wenn auch mit der Gründung der DDR die Mitgliederzahlen in den Kirchen sinken, da neue Götter verehrt wurden, versucht man so gut wie möglich das kirchliche Leben aufrecht zu erhalten. 1954/55 sollen zwei Bauprojekte in Angriff genommen werden. Zum einen der Bau einer Kirche in Deutzen und einer neuen Kirche in Borna. Wenn die Pläne in Deutzen Wirklichkeit werden, scheitern die Bornaer Baupläne. Gründe für die Absage gibt es keine. 1967 werde diese Pläne noch einmal aufgenommen, doch der Rat des Kreises gibt eine endgültige Ablehnung, angeblich „wegen Mangel an Baumaterial“. Eher wird dahinter ein Politikum stehen, als atheistisch ausgerichteter Staat wollte man die Kirche nicht noch stärken, noch immer galt der Spruch von Karl Marx: „Religion ist Opium für das Volk“.
Erst 1957 konnte man die Kirche wieder über die damalige Straße der Roten Armee betreten. Denn bis dahin war die Straße mit den Kasernen der Sowjetarmee „Militärsperrgebiet“ und damit hermetisch abgesperrt. Die katholische Kirche erreichte man nur über einen geschaffenen „Noteingang“ an der Leibnitzstraße.
Anfang der 1960er Jahre kam es vermehrt zu einem Interesse am kirchlich-religiösen Leben. „Die Gründe für diese Aufgeschlossenheit scheinen folgende zu sein: 1) Nachdem im Jahre 1961 für keinen mehr die Möglichkeit bestand, nach Westdeutschland auszureisen, fingen manche an, sich mehr auf sich selbst, auf ihre hiesige Situation zu besinnen. Der sorgende Gedanke: “Soll ich abhauen“, fiel fort! 2) Die Enttäuschung über ganze politische und wirtschaftliche Entwicklung brachte viele zum Nachdenken und sie begannen die „Wahrheit“ zu suchen…“ (Kirchenchronik St. Joseph zu Borna)
Ein besonderer Höhepunkt im geistlichen Leben der Kirchgemeinde war der Besuch der Friedens-Nobelpreisträgerin Mutter Teresa (1910 – 1997) am 29. September 1984 in Borna. „Nach der Zusammenkunft in der Kirche versammelten wir uns auf dem Hof. Dort segnete sie besonders die Kleinkinder. Sie verteilte an die Kinder Mutter-Gottes-Medaillen. Obwohl sie sich nur schwer mit den Gemeindemitgliedern verständigen konnte, so spürten doch alle ihre Liebe …“ (Kirchenchronik St. Joseph zu Borna)

Mutter Teresa (2 v.l.) zu Besuch in Borna, 1984
Mutter Teresa (2 v.l.) zu Besuch in Borna, 1984 (Foto: Kath. Pfarramt St. Joseph)

Ab Ende der 1980er Jahre war die katholische Kirche fest mit in die Vorbereitungen zu den Umweltgottesdiensten in unserer Region eingebunden. „War es doch eine gute Gelegenheit, auf sich aufmerksam zu machen und auch darauf, dass wir uns von den Roten Machthabern nicht alles gefallen ließen. Trotzdem habe ich gestaunt, was sie sich alles von uns gefallen ließen.“ (Kirchenchronik St. Joseph zu Borna)
Hier fanden auch im Herbst 1989 zusammen mit der evangelischen Kirchgemeinde die ersten Friedensgebete statt, die dann später aus Platzmangel in die Stadtkirche verlegt wurden. Als äußeres neues Zeichen wurde 2001, nach über 80 Jahren, der Glockenturm festlich eingeweiht: "Der Klang der Glocken ist die Botschaft der Weihe; Botschaft von Gott ohne Grenzen und Enden; die Botschaft der Sehnsucht und der unendlichen Erfüllung."
(Romano Guardini, 1885-1968)