© Copyright ©2009 - 2024 Geschichte Borna. Alle Rechte vorbehalten.

Wer ist dieser Mann, der sich William Pester, Bill Pester oder Frederik Pester nannte und was hat dieser Mann, der sich als Ur-Hippie in Amerika einen Namen machte, mit Borna zu tun?

Geburtshaus in der Leipziger Straße

Geburtshaus in der Leipziger Straße

Friedrich Wilhelm Pester, so sein Geburtsname, wurde am 18. Juli 1885 in Borna geboren. Sein Geburtshaus war das Haus mit der Brandcataster Nr. 414, heute das Haus Leipziger Straße 32. Er war der dritte Sohn von Hermann Friedrich Pester und dessen Ehefrau Marie geb. Erler. Der Vater arbeitete erst als Feldgärtner und dann als Brauer in der Aktienbrauerei. Die Mutter verstarb mit nur 34 Jahren am 23. Mai 1894 und hinterließ ihrem Ehemann vier Söhne. Nach einem Jahr zog der Vater mit den Söhnen in die Grimmaer Straße 20 und eröffnete dort 1897 ein Fuhrmannsgeschäft, das er bis 1933 betrieb. Am 1. Dezember heiratete er Pauline verwitwete Kupfer, geb. Schenkel.

Ansichtskarte vom Wohnhaus und Geschäft des Vaters in der Grimmaer Straße, 1913

Ansichtskarte vom Wohnhaus und Geschäft des Vaters in der Grimmaer Straße, 1913

Friedrich Wilhelm Pester verbringt anscheinend hier eine glückliche Kindheit. Doch schon bald ist er von einer Unruhe getrieben, die ihm sein ganzes Leben lang verfolgt. Es hält ihn nicht lange an einem Ort. 1903 ist er als Steinmetzlehrling registriert und lebt bei der Familie seines Bruders Theodor Hermann Pester in der Reichsstraße 25. Doch bereits schon im Dezember 1903 wohnt er im Haus An der Mauer 7. Zu dieser Zeit arbeitete er als Handarbeiter im Bergbau. 1904 meldete er sich nach Paunsdorf bei Leipzig ab.

Im April 1905 kam er aus Kiel zurück und lebt wieder bei seinem Bruder in der Reichsstraße. Jedoch bleibt er ein Unruhegeist, denn zwei Monate später geht er schon wieder auf Wanderschaft und kommt nach einem Jahr aus Bremerhaven nach Borna zurück. Er soll dort als Anstreicher tätig gewesen sein. Ob er sich dort auch mit dem Gedanken des Auswanderns beschäftigt hat ist ungewiss, aber möglich. War doch Bremerhaven für Tausende die letzte Station nach Amerika. Den letzten Eintrag von Friedrich Wilhelm Pester im Einwohnerverzeichnis von Borna finden wir am 20. Juli 1906 als er sich nach Kiel abmeldet. Von hieraus machte er sich auf den Weg nach Amerika. Somit entzog er sich auch dem anstehenden Militärdienst.

Im Jahr 1906 wurde William Pester, wie er sich jetzt nennt, das erste Mal in den Vereinigten Staaten von Amerika registriert und hält sich mit Gelegenheitsarbeiten über Wasser. 1910 wird er das einzige Mal im städtischen Adressbuch von Los Angeles vermerkt. Er gilt als arbeitssuchend und wohnt in 823 San Julian.
Vier Jahre später segelt er von San Fransisco aus nach Hawaii und lebt dort ein Jahr. Auf dem amerikanischen Festland zurück, kommt er 1916 nach Palm Springs in die Wüste. Palm Springs war damals ein kleines Wüstennest (75 Einwohner) und nicht zu vergleichen mit der heutigen Großstadt und Spielerhölle. Hier lässt er sich als Einsiedler am Rande von Palm Springs im Palm Canyon nieder. Er wird zu einer Attraktion.

Zu dieser Zeit ist eine Welle im Anrollen, wo Menschen sich wieder der Natur annähern. Raus aus dem Moloch Stadt, hin zur Natur, im speziellen in die Wüste der Einsamkeit. Man setzt sich voyeuristisch mit Aussiedler auseinander. An manchen Tagen sind Autoschlangen vor seiner Hütte.  Er wird regelrecht gehuldigt. Eigentlich war er kein richtiger Einsiedler. Er war zwar Vegetarier, aber selbst landwirtschaftliche Produkte, um zu überleben, baute er nicht an. Das war auch kaum möglich, den der Boden war kaum geschaffen dafür. Viel mehr erkannte er schnell, wie man den Städter das Geld aus der Tasche ziehen konnte. Er war somit ein Teil einer Geldwirtschaft. Er verkaufte Postkarten und handelte mit Schmuck der Indianer.

William Pester vor seiner Hütte in Palm Canyon, 1918 (Palm Springs Historical Society)

William Pester vor seiner Hütte in Palm Canyon, 1918 (Palm Springs Historical Society)

Obwohl William Pester seine Hütte in Palm Canyon in der Nähe von Palm Springs hatte, ist er des Öfteren auch mal verschwunden. So ist er mal für ein Jahr in Brasilien, dann in Mexiko, aber auch viel in Los Angeles oder in Indio anzutreffen. Er wurde zu einem Mythos. In „Hippiekleidung“ spielt er Gitarre und poliert Steine, die er später verkauft. Sonntagsblätter berichten von ihm, über sein Einsiedlertum.
Dabei wird vieles überspitzt, romantisiert und verklärt dargestellt. So soll er friedlich mit den Indianer gehandelt haben und so seinen Lebensunterhalt gesichert haben. Doch dies ist kaum vorstellbar. So ist überliefert das er „verkohlte Knochen, Knöpfe und Perlen aus einem indianischen Brandgrubengrab auf Thaquitz Creek“ dem Palm-Springs-Wüsten-Museum übergeben hat. Das dürfte für reichlichen Zündstoff und Feindlseeligkeiten mit den ansässigen Cahuilla-Indianern geführt haben.
Dies könnte auch der Grund für seine Vertreibung aus Palm Canyon gewesen sein. Laut einer Volkszählung von 1930 war er in Indio ansässig. Hier verkündet er, das er nicht verrückt sei, sondern die anderen Leute und nimmt seine Besucher mit auf eine Tour durch seinen kleinen Obstgarten mit Datteln, Feigen und Zitronenbäumen. Dann hält er immer eine Predigt über das einfache Leben.

Das Jahr 1940 ist ein Wendepunkt in seinem Einsiedlerdasein. Im Sommer erhält er zehn Anklagen von sexueller Perversion und wird nach dem Kalifornischen Strafgesetzbuch 288a verhaftet, wegen Kopulation mit dem Mund. Es soll schon in früheren Jahre mal Probleme gegeben haben, als sich Touristen sich über seine Nacktheit beschwerden. Doch jetzt wiegt der Fall weit schwerer, ihm wird Homosexualität vorgeworfen. In der Gerichtsverhandlung sagt Pester nur: „Ich bin schuldig, bitte stecken sie mich ins Gefängnis.“
Zu dieser Zeit war er Mittellos und konnte sich nicht verteidigen, oder wollte es nicht. Was erschwerend dazu kam war die damalige Feindseligkeit gegenüber Ausländern, im speziellen von Deutschen. Es ist heute nach den Gerichtsunterlagen nicht mehr zweifelsfrei nachzuvollziehen. Aber vieles deutet darauf hin, das man ihm bewusst eine Falle stellte, um ihn zu inhaftieren.
Seltsamerweise wurden alle seine bekannten Partner nicht strafrechtlich verfolgt. Wie lange er in San Quentin oder anderen kalifornischen Gefängnissen eingesessen hat, ist nicht bekannt. Jedoch wird er erst wieder 1946 im Gebiet von Sacramento aktenkundig, als er sich um ein Sozialhilfeausweis bewirbt.

Zwei Jahre später ist er wieder in Los Angeles und lebt in der Spruce Street Nr. 603 und verdient sich sein Geld als Modell an der Kunstschule. Ob er wieder in die Wüste zurück ging, ist ungewiss. Vermutungen gab es. Doch bei einem Reporter meckert er, wie überfüllt die Wüste geworden ist und er plane die Einsamkeit auf einer pazifischen Insel. Doch sein letzter Sozialhilfescheck geht nach Arizona, wo er womöglich 1963 starb. Das genaue Datum und der Ort sind nicht bekannt und nachforschen ist schwer, denn, Arizona ist ein „Staat der keine Unterlagen herausgibt.“ (Peter Wild, Verfasser der William-Pester-Biografie)

Auch wenn William Pester einsam und arm, so wie es vielleicht auch wollte, von uns ging, wird er heute noch in Amerika verehrt. Er gilt als Vorreiter der Hippiebewegung und das Lied „Natur Boy“, erster Nummer-Eins-Hit von Nat King Cole 1946, wird immer mit ihm in Verbindung gebracht, obwohl das nicht ganz richtig ist. Doch das ist schon wieder eine andere Geschichte.

Siehe unter Publikationen