Zeitgenossen von Karl Immanuel Nitzsch nannten ihn würdevoll den „rheinischen Kirchvater“, aber auch als „Altmeister“ der praktisch-theologischen Wissenschaft und zu guter Letzt als „Patriarch der Union“. Er profilierte sich als Befürworter der Vermittlungstheologie im Angesicht eines Widererstarkens des orthodoxen Glaubens, das er mit Wissen zu verbinden suchte. Heute ist er leider in Vergessenheit geraden und nur noch Theologiestudenten können etwas mit dem Namen Karl Immanuel Nitzsch anfangen.
Superintendantur Borna, Geburtshaus von Carl Immanuel Nitzsch
Geboren wurde Karl Immanuel Nitzsch am 21. September 1787 als zweiter Sohn des damaligen Superintendenten Karl Ludwig Nitzsch und dessen Frau Luise geb. Wernsdorf in der Superintendantur am Kirchplatz. Den Namen „... Karl als den Erben des väterlichen Sinnes und Berufs, Immanuel nach dem großen Immanuel Kant“ (W. Beyschlag). Dabei war seine spätere Berufung vorprogrammiert. Denn die Familie Nitzsch konnte von väterlicher, aber auch von mütterlicher, Seite, ein lange und über Generationen weite pastorale Vergangenheit vorweisen.
Kurze Zeit nach der Geburt ihres Sohnes Karl Immanuel verließ die Familie Nitzsch die Stadt Borna. Der Vater wurde im Januar 1788 zum Stiftssuperintendent und Konsistorialassessor in Zeitz ernannt. Nach dem Besuch der kursächsischen Fürstenschule Pforta (heute: Schulpforta) begann Karl Immanuel Nitzsch 1806 ein Studium der Philosophie, der klassischen Philologie und der evangelischen Theologie an der Universität Wittenberg. In seine Wittenberger Studienzeit fiel auch die französische Besetzung durch Napoleon. Der Lehrbetrieb musste dadurch eingestellt werden und Nitzsch betätigte sich als Seelsorger. 1815 wechselte er nach Berlin und erhielt die theologische Doktorwürde. 1817 kehrt er nach Wittenberg zurück. Die Universität Wittenberg ist nun als Folge der Beschlüsse des Wiener Kongresses mit der Universität Halle vereinigt. Als Ausgleich erhielt Wittenberg ein Predigerseminar und Karl Immanuel Nitzsch und sein Vater Karl Ludwig gehörten zum ersten Lehrpersonal. Sie unterrichteten die Geschichte des kirchlichen Lebens und Beredsamkeit. 1820 trat er das Amt des Propstes und des Superintendenten in Kemberg an und folgte im Mai 1822 einem Ruf der Universität Bonn, als Professor für systematische und praktische Theologie. Dort profilierte er sich als Befürworter der Vermittlungstheologie im Angesicht eines Widererstarkendes orthodoxen Glaubens. Hier an der Rheinischen Friedrich-Wilhelm-Universität Bonn gehörte er zu den Mitbegründern der Evangelisch-Theologische Fakultät. Sein Engagement galt besonders dem eigenen liturgischen Recht der Kirche, das er im „Agendenstreit“ gegen massive Eingriffsversuche des Königs verteidigte, dem kirchlichen Selbstverwaltungsrecht, das er durch Presbyterial- und Synodalverfassung verwirklicht sah, sowie einer möglichst freien Lehr- und Bekenntnisbindung für protestantische Geistliche. Nitzsch versuchte diese ohne Erfolg auf der Berliner Generalsynode 1846, in einem minimalistischen Ordinationsformular festzuschreiben. Dieser Entwurf wurde von den konservativen Gegnern als „Nitzschenum“ verspotte. Doch brachte es ihm 1847 eine theologische Berufung an die Berliner Universität ein, wo er 1848/49 zum Rektor ernannt wurde. Seine liberal-konservative Haltung führte ihn bald als Abgeordneten in den preußischen Landtag und ab 1852 saß er im Evangelischen Oberkirchenrat.
Carl Immanuel Nitzsch (Museum Borna)
Im Jahre 1864 wurde er zum Superintendenten zu St. Marien in Berlin ernannt, doch da war er schon von Krankheit gezeichnet. Im Frühjahr 1868 wurde er aus Alters- und Krankheitsgründen von all seinen Ämtern entpflichtet und verstarb am 21. August 1868 in Berlin. Beigesetzt wurde er an seiner letzten Wirkungsstätte an der Kirche St. Marien. Jedoch besteht die Grabstätte heute nicht mehr.