Siechenhäuser gab es seit den frühen Mittelalter in jeder größeren Stadt, so auch in Borna. Bis ins 18. Jahrhunderte pflegte man in den Siechenhäusern kranke „dahinsiechende“ Menschen. Später übernahmen die Hospitäler und Krankenhäuser diese Aufgabe. Doch hatte man Probleme vor allem mit alten gebrechlichen Menschen. Wo sollte man diese unterbringen.
Aus diesem Grunde wurde im Jahre 1879 zwischen der Stadt Borna und dem Bezirksverband der Königlichen Amtshauptmannschaft Borna ein Vertrag abgeschlossen, in dem festgelegt war, dass Parzellen des Rittergutes Bockwitz, die aufgefüllten ehemaligen Schreenteiche an der Straße nach Görnitz, „schenkungsweise“ für einen Bauplatz einer Bezirks-Arbeits- und Versorgungs-Anstalt überlassen wird.
Schon bald ging es mit den Bauarbeiten los und schon ein Jahr später, konnte am 14. Oktober 1880 die Bezirks-Armen- und Arbeiter-Anstalt eröffnet werden. Erster Anstaltsdirektor wurde der aus Braußwig stammende Rittergutsbestitzer A. Seeger. Der Anstaltszweck war, zum einen die zwangsweise Beschäftigung arbeitsscheuer oder sonst zur Last fallender arbeitsfähiger Personen mit lohnender und nützlicher Arbeit (Correctionäre) und zum anderen „die Unterbringung aller anderen, der öffentlichen Armenversorgung zur Last fallenden, namentlich gebrechlicher, hinfälliger und geistig beschränkter, der fortdauernden Pflege und Abwartung der bedürftigen Personen (Sieche).“
Die Correctionäre ginge unter Aufsicht in die benachbarten Kohlewerke auf Arbeit. So zum Beispiel in die Grube „Himmelreich“ Frohburg, den „Wilhelmschacht“ Gnandorf, die Grube „Glück Auf“ Blumroda oder zum „Carlschacht“ in Borna. Bei Disziplinverstößen gab es schwere Strafen.
So steht im Jahresbericht von 1894: „1. Körperliche Züchtigung gegen 2 männliche Insassen gegen einen 10, gegen den anderen 15 Hiebe, gegen beide wegen wiederholter Entweichung. 2. Arreststrafen gegen 2 männliche und gegen 2 weibliche Insassen, indem diese Strafe bei einem Manne und einer Frauenperson noch durch Beschränkung der Kost an Wasser und Brod, letzteres jedoch mit Ausschluß des dritten Tages, bei dem anderem Mann wegen des Alters nur durch Beschränkung der Brodkost, bei beiden Frauen aber noch durch Kurzschneiden des Haupthaars zu verschärfen war.“
Am 1. Juli 1899 kam es zu einer längst fälligen räumlichen Trennung der Abteilung der Versorgten (Siechen) und der Correctionäre (Zwangseingelieferten) und gleichzeitig zur Anstellung besonderer Pflegerinnen für die Kranken.
Ab 1903 übernahmen die Schwestern des Leipziger Diakonissenhauses die Pflegearbeiten. „Ein leichter Dienst ist nun freilich auch der einer Pflegerin in der Siechen- und Versorgungsabtheilung einer Bezirksanstalt nicht, und er ist jedenfalls bedeutend schwerer und mühevoller, wie der in ärztlichen Kliniken ...“ (Auszug aus dem Jahresbericht 1900)
Am 21. August 1903 besuchte Dr. med. Näcke, Direktor der Königl. Landesanstalt Hubertusburg, die Bezirksanstalt, um zu erörtern, ob die Einrichtung zur Übernahme von Geisteskranke geeignet sei. Trotz großer Bedenken von Seiten der Bezirksanstalt, da es schon in früheren Zeiten Komplikationen zwischen den Kranken und den „geistig beschränkten“ Personen gab, wurde 1904/05 für 35.000 Mark zur Unterbringung von Nervenkranken ein Anbau von Baumeister Sebastian aus Groitzsch geschaffen.
Da sich im Laufe der Jahre die Zahl der sogenannten „Siechen“ gegenüber der „Correctionäre“ stieg, beschloss man am 15. Januar 1906 die Bezirks-Anstalt in „Bezirkssiechenhaus“ abzuändern.
Zunehmend gab es auch immer mehr Schwierigkeiten mit den männlichen Zwangseingelieferten. Daraufhin beschloss man 1911, die letzten acht in die Bezirksanstalt Thekla bei Leipzig zu überführen. Damit war das Bezirkssiechenhaus ausschließlich eine Pflegeeinrichtung. Man könnte auch sage, dass das Bezirkssiechenhaus, das erste Pflegeheim von Borna war.
Ab 1929 war es als „Bezirksheim“ ein reines Feierabendheim und musste 1940 geschlossen werden. Mit dem Neuaufschluss des Braunkohlentagebaues Görnitz wurde das Gebäude im August 1941 vom Technischen Notdienst (TeNo) Borna gesprengt.
Ansichtskarte vom Bezirkssiechenhaus, um 1915